Phytotherapeutika

Phytopharmaka sind Arzneimittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen hergestellt werden und typischerweise als Extrakte, Tinkturen oder ätherische Öle vorliegen. Sie enthalten komplexe Mischungen bioaktiver Substanzen, deren pharmakologische Wirkung auf dem Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe beruht. Phytopharmaka werden v.a. bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen oder als unterstützende Therapie eingesetzt und gelten im Allgemeinen als gut verträglich. Ihre breite Verfügbarkeit kann jedoch zu unkritischer Anwendung führen, wobei relevante Nebenwirkungen und Wechselwirkungen, insb. durch Induktion oder Hemmung von Cytochrom-P450-Isoenzymen und P-Glykoproteinen, auftreten können.

Viele heute verwendete Arzneistoffe wie Atropin, Digitoxin oder Vincristin wurden ursprünglich aus Pflanzen isoliert und später synthetisch hergestellt. Diese reinen, isolierten Substanzen gelten nach internationaler und europäischer Definition nicht als Phytotherapeutika, sondern als konventionelle Arzneimittel oder Wirkstoffe pflanzlichen Ursprungs. Phytopharmaka unterscheiden sich somit von Einzelwirkstoffen durch ihre komplexe Zusammensetzung und die daraus resultierenden Multi-Target-Effekte.

Jedes pflanzliche Arzneimittel in Deutschland benötigt eine Zulassung oder Registrierung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wobei Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft werden. Die Einteilung in „well established use“ (WEU) und „traditional use“ (TU) basiert auf Monografien des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der European Medicines Agency (EMA).

„Well established use“ bedeutet, dass das Arzneimittel seit mind. 10 Jahren in der Europäischen Union verwendet wird und Sicherheit sowie Nutzen durch wissenschaftliche Studien belegt sind. Für „traditional use“ muss das Produkt seit mind. 30 Jahren medizinisch verwendet worden sein, davon mind. 15 Jahre in der EU, wobei die sichere Anwendung und ein plausibler Wirkmechanismus nachgewiesen werden müssen; nicht der Nachweis der Wirksamkeit durch klinische Studien, sondern die plausible Wirksamkeit durch langjährige Erfahrung ist hier erforderlich.

Ein klassisches Zulassungsverfahren wie bei konventionellen Arzneimitteln muss bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln nicht durchlaufen werden; stattdessen gibt es ein vereinfachtes Registrierungsverfahren gemäß EU-Richtlinie 2004/24/EC. Die Herstellung muss nach den Grundsätzen der Good Manufacturing Practice (GMP) erfolgen. Zudem sind die Regelungen der Pharmakovigilanz einzuhalten, um Qualität und Sicherheit zu gewährleisten.

Neben den von der EMA eingestuften Arzneimitteln existieren noch viele weitere Phytotherapeutika mit gutem Wirkspektrum, die von unabhängigen Expert:innen aus der Gesellschaft für Phytotherapie e.V. (GPT) zusammengetragen wurden. Ihre Anwendungsbereiche sind bei den jeweiligen Wirkstoffen unter „GPT-Liste“ aufgeführt. ^[1]

Bei Immundefizienz, Autoimmunerkrankungen und chronischen Viruserkrankungen darf Purpursonnenhutkraut nicht angewendet werden!

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Phytotherapie – Tradition und Evidenz (September 2022)

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