Zusammenfassung
Hautreaktionen gehören zu den häufigsten Symptomen einer Arzneimittelunverträglichkeit. Es werden Soforttyp-Reaktionen (Typ-I-Reaktionen, z.B. Urtikaria, Flush, Anaphylaxie) und Spättyp-Reaktionen (Typ-IV-Reaktionen) unterschieden. Makulopapulöse Arzneimittelexantheme sind die häufigsten Spättyp-Reaktionen, deren Abgrenzung von Virusexanthemen die größte diagnostische Herausforderung darstellt. Auch das fixe Arzneimittelexanthem ist häufig und manifestiert sich meist als solitäre Plaque, die bei Reexposition gegenüber dem Auslöser an gleicher Lokalisation wieder auftritt. Deutlich seltener sind schwere kutane Arzneimittelreaktionen wie Drug-Reaction with Eosinophilia and systemic Symptoms (DRESS), akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP), Stevens-Johnson-Syndrom / toxische epidermale Nekrolyse und generalisiertes bullöses fixes Arzneimittelexanthem. Bei ausgeprägten Symptomen und Organbeteiligung können diese Erkrankungen tödlich verlaufen. Das symmetrische arzneimittelbezogene intertriginöse und flexurale Exanthem (SDRIFE) und das lichenoide Arzneimittelexanthem treten nur in Einzelfällen auf. Bei allen Formen von Arzneimittelunverträglichkeiten ist eine gründliche Diagnostik zur Identifikation des Auslösers wichtig, um diesen zukünftig zu meiden. Ausführliche Inhalte dazu finden sich auch in: Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel.
Übersicht
Soforttyp-Reaktionen
Soforttyp-Reaktionen auf Arzneimittel | |||
---|---|---|---|
Klinisches Bild | Symptombeginn | Pathomechanismus | Beispiele auslösender Medikamente |
Anaphylaktische Reaktion: Bspw. Flush, Urtikaria, Angioödem, Bronchospasmus und Anaphylaxie |
| ||
|
Spättyp-Reaktionen
Kutane Spättyp-Reaktionen auf Arzneimittel (Typ-IV-Reaktionen) | |||
---|---|---|---|
Erkrankungen | Klinisches Bild | Symptombeginn | Beispiele auslösender Medikamente |
Makulopapulöses Arzneimittelexanthem |
| ||
Fixes Arzneimittelexanthem (FDE) [1] |
|
| |
Generalisiertes bullöses fixes Arzneiexanthem (GBFDE) [2] |
|
| |
Kontaktekzeme |
|
| |
Photoallergische Reaktionen |
| ||
Drug-Reaction with Eosinophilia and systemic Symptoms (DRESS) |
| ||
Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) [4] |
|
| |
Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) / Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) |
|
| |
Symmetrisches arzneimittelbezogenes intertriginöses und flexurales Exanthem (SDRIFE) |
| ||
Lichenoides Arzneimittelexanthem |
|
|
Makulopapulöses Arzneimittelexanthem
Epidemiologie
Auslöser
- Am häufigsten: Antibiotika (insb. β-Lactam-Antibiotika, Sulfonamide), NSAR, Anfallssuppressiva
- Infekte: Erhöhen das Risiko eines Arzneimittelexanthems durch die gesteigerte Aktivierung des Immunsystems
Pathophysiologie
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie)
- Bei Reexposition Aktivierung von arzneimittelspezifischen CD4+-/CD8+-T-Zellen, Makrophagen und dendritischen Zellen in der Kutis → Freisetzung, u.a. von Perforin, Granzym B aus allergenspezifischen T-Zellen → Akute Schädigung epidermaler Keratinozyten
Symptomatik
- Symptombeginn
- Bei Erstkontakt: Meist 7–10 Tage nach Einnahmebeginn (im Anschluss an Sensibilisierungsphase, sog. Spätexanthem)
- Bei Reexposition: 6–12 h bis 3 Tage nach Einnahmebeginn (sog. Frühexanthem)
- Allgemeinsymptome: Meist fehlend, Fieber und Lymphadenopathie möglich
- Hautsymptome
- Akut auftretendes stamm- und extremitätenbetontes, makulopapulöses Exanthem
- Ggf. Juckreiz
- Maximalvariante: Erythrodermie
- Verteilung
- Ausbreitung von zentral nach peripher
- Meist Aussparung des Gesichts, der Handflächen und Fußsohlen sowie der Schleimhäute
- Siehe auch: Unterscheidungsmerkmale von makulopapulösen Arzneimittelexanthemen und Virusexanthemen
- Verlauf: Schuppende Abheilung innerhalb von 1–2 Wochen
Diagnostik
- Anamnese: Insb. genaue Medikamentenanamnese mit zeitlicher Einordnung zum Symptombeginn
- Klinische Untersuchung: Inspektion der Haut und Schleimhaut mit charakteristischem klinischen Bild
- Laboruntersuchung: Normalbefunde, ggf. Eosinophilie
- Histologie [7]
- Diskrete fokale Vakuolisierung der Basalmembranzone
- Epidermis unauffällig
- Superfizielles, perivaskuläres, lymphozytäres Entzündungsinfiltrat mit Beimengung eosinophiler Granulozyten in der Dermis
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesenem makulopapulösen Arzneimittelexanthem
Differenzialdiagnosen
- Virusexanthem
- Lues/Syphilis
- Scharlach
- Erythema exsudativum multiforme
- DRESS
- Stevens-Johnson-Syndrom / Toxische epidermale Nekrolyse
Unterscheidungsmerkmale zu Virusexanthemen
Unterscheidungsmerkmale von makulopapulösen Arzneimittelexanthemen und Virusexanthemen [8] | ||
---|---|---|
Merkmale | Makulopapulöses Arzneimittelexanthem | Virusexanthem |
Verteilungsmuster |
|
|
Zeitlicher Verlauf |
|
|
Prodromi |
|
|
Schleimhautbeteiligung |
|
|
Juckreiz |
|
|
Therapie
- Allgemein: Absetzen des auslösenden Medikaments
- Supportive Maßnahmen
- Ggf. topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
- In schweren Fällen: Systemische Glucocorticoide
Prognose
- Vollständige Abheilung innerhalb von 1–2 Wochen
- Rezidiv bei Reexposition möglich
- Mortalität: 0%
Fixes Arzneimittelexanthem (FDE)
Epidemiologie
- Zweithäufigste kutane Arzneimittelreaktion
- Inzidenz: Abhängig von der geografischen Region
- Geschlecht: ♀ = ♂
- Altersgipfel: Meist im mittleren Lebensalter
Ätiologie [1]
- Genetische Komponente wahrscheinlich
- Auslöser: I.d.R. Medikamente, sehr selten Nahrungsmittel (sog. fixes Lebensmittelexanthem)
- Antibiotika: Insb. Cotrimoxazol , Doxycyclin, Ciprofloxacin, Amoxicillin, Metronidazol
- Analgetika: NSAR und Paracetamol
- Nahrungsmittel: Nüsse, Meeresfrüchte, Erdbeere, Kiwi, Linsen, Zusatzstoffe
Pathophysiologie [1]
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie)
- Entzündungsphase: Aktivierung von CD8+-T-Lymphozyten → Freisetzung von IFN-γ → Rekrutierung von CD8+-T-Zellen, CD4+-T-Zellen und neutrophilen Granulozyten → Schädigung der epidermalen Keratinozyten und Melanozyten
- Beendigung der Reaktion: Einwanderung CD4+ regulatorischer T-Zellen → Produktion von antiinflammatorischem IL10 → Bei Karenz gegenüber dem Auslöser Abheilung
- Postinflammatorische Hyperpigmentierung: Schädigung der Melanozyten während der entzündlichen Phase → Austritt von Melanin → Phagozytose durch Makrophagen, die an der Lokalisation der vorherigen Reaktion persistieren
- Nach Abheilung: Persistenz der T-Gedächtniszellen in betroffenen Arealen → Reaktivierung bei erneuter Exposition
Symptomatik [11]
- Symptombeginn: 48 h bis 14 Tage nach Einnahmebeginn
- Akute Hautveränderungen
- Rund-ovale, erythematöse bis livide oder auf dunkleren Hauttypen hyperpigmentierte Plaque
- Meist solitärer Herd, gelegentlich multiple Läsionen
- Schleimhautbeteiligung häufig
- Ggf. Ausbildung schlaffer Blasen oder Erosionen
- Verteilung
- Verlauf
- Abheilung ggf. unter postinflammatorischer Hyperpigmentierung
- Bei Reexposition Auftreten der Hautveränderung in denselben Arealen wie bei Erstmanifestation
Diagnostik [9]
- Anamnese: Inkl. genauer Medikamenten- und Nahrungsmittelanamnese mit zeitlicher Einordnung zum Symptombeginn, Familienanamnese
- Körperliche Untersuchung: Inspektion der Haut und Schleimhaut mit charakteristischem klinischen Bild
- Histologie
- Interface-Dermatitis und Pigmentinkontinenz
- Superfizielles, tiefes, perivaskuläres, lymphozytäres Entzündungsinfiltrat mit Beimengung eosinophiler Granulozyten
- Innerhalb der Epidermis ggf. nekrotische Keratinozyten
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesenem FDE
- Epikutantest im Bereich der betroffenen Herde
- In Ausnahmefällen: Oraler Provokationstest
- Siehe auch: Diagnostik von Arzneimittelüberempfindlichkeiten
Häufig wird die Diagnose erst spät im Verlauf gestellt!
Differenzialdiagnosen
- Erythema exsudativum multiforme
- Lokalisiertes Kontaktekzem
Therapie
- Allgemein: Sofortiges Absetzen des auslösenden Medikaments
- Supportive Maßnahmen: Topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
Prognose
- Vollständige Abheilung, meist mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung
- Rezidive möglich
Generalisiertes bullöses fixes Arzneimittelexanthem (GBFDE)
Epidemiologie
Auslöser
- Medikamente, insb.
Pathophysiologie
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie): Ausbildung von T-Gedächtniszellen in den betroffenen Arealen → Wiederaufflammen bereits betroffener Herde bei Reexposition → Zunahme des Schweregrads bei wiederholter Reexposition
Symptomatik [9]
- Symptombeginn: Innerhalb weniger Stunden bis Tage nach Einnahmebeginn, frühestens im zweiten Einnahmezyklus
- Hautsymptome
- Allgemeinsymptome
- Mildes Krankheitsgefühl
- Selten Fieber
- Verlauf: Abheilung innerhalb von 1–2 Wochen mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung
Die Schwere des Krankheitsbildes nimmt mit jedem Rezidiv zu!
Diagnostik
- Anamnese: Genaue Medikamentenanamnese mit zeitlicher Einordnung zum Symptombeginn und zuvor gut vertragener Ersteinnahme
- Körperliche Untersuchung
- Inspektion der Haut und Schleimhaut mit charakteristischem klinischen Bild
- Nikolski-Phänomen I: Negativ
- Histologie
- Superfizielles, perivaskuläres, lymphozytäres Entzündungsinfiltrat, im Verlauf tiefes perivaskuläres Entzündungsinfiltrat mit eosinophilen und teils neutrophilen Granulozyten
- Disseminiert verteilte nekrotische Keratinozyten oder komplette Epidermisnekrose
- Vakuolisierte Basalmembranzone bis hin zur subepidermalen Blasenbildung
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesenem GBFDE: Epikutantestung (siehe auch: Diagnostik von Arzneimittelüberempfindlichkeiten)
Differenzialdiagnosen
- Stevens-Johnson-Syndrom / Toxische epidermale Nekrolyse
- Staphylococcal scalded Skin Syndrome (SSSS)
- Pemphigus vulgaris
- Bullöses Pemphigoid
- Bullöse Graft-versus-Host-Disease
Therapie
- Allgemein: Sofortiges Absetzen des auslösenden Medikaments
- Supportive Maßnahmen
- Desinfizierende Maßnahmen mit topischen Antiseptika
- Topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
- Bei ausgedehntem Befall und Schleimhautbeteiligung: Systemische Glucocorticoide
Prognose
- Abheilung: Innerhalb von 1–2 Wochen mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung
- Bei Rezidiv: Ausgedehnte Hautablösungen mit schwerem Krankheitsverlauf möglich
- Letalität: 22% (aufgrund des hohen Erkrankungsalters)
Drug Reaction with Eosinophilia and systemic Symptoms (DRESS)
Epidemiologie
Ätiologie
- Auslöser: Medikamente, insb.
- Häufig Nachweis von reaktivierten humanen Herpesviren (insb. HHV6) bei prolongierten Krankheitsverläufen
Pathophysiologie
- Genetische Prädisposition
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie)
- Aktivierung von CD4+- und CD8+-T-Lymphozyten → Freisetzung zytotoxischer Zytokine → Entzündungsreaktion
- Vermehrte Freisetzung von IL5 → Aktivierung eosinophiler Granulozyten
- Im Krankheitsverlauf Reaktivierung lymphotroper Viren (insb. HHV6)
Symptomatik
- Symptombeginn: Dosisunabhängig 2–8 Wochen nach Einnahmebeginn
- Allgemeinsymptome
- Hautsymptome
- Initial makulöses bis makulopapulöses Exanthem mit Ausbreitung vom Gesicht auf den gesamten Körper
- Periorbital betontes Gesichtsödem
- Pustel- und Blasenbildung sowie Auftreten von Kokarden, Plaques und Purpura-ähnlichen Läsionen möglich
- Schleimhautbeteiligung möglich
- Verlauf: Exfoliative Abheilung über mehrere Wochen
- Organbeteiligung
- Interstitielle Entzündungen: Hepatitis , Nephritis, Pneumonie
- Kardiale Beteiligung
- Selten: ZNS-Beteiligung
- Sehr selten: Ösophagitis, Pankreatitis und Kolitis
Diagnostik
- Anamnese: Genaue Medikamentenanamnese mit zeitlicher Einordnung zum Symptombeginn
- Körperliche Untersuchung
- Verlaufskontrolle der Hautveränderungen
- Regelmäßige Blutdruck- und Herzfrequenzkontrollen
- Laboruntersuchungen
- Differenzialblutbild (Eosinophilie , Leukozytose mit atypischen Lymphozyten)
- Abklärung
- Verlaufskontrolle: Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerte, Blutzucker, TSH
- Weiterführende Diagnostik: Bei klinischem/laborchemischem Anhalt für
- Leber-/Nierenbeteiligung: Oberbauchsonografie
- Pneumonie: Röntgen-Thorax
- Kardiale Beteiligung: Echokardiografie, ggf. Kardio-MRT
- Gastrointestinale Beteiligung: Endoskopie
- Histologie
- Meist lymphozytäres Entzündungsinfiltrat mit eosinophilen Granulozyten
- Dermales Ödem
- Dermales bandförmiges Infiltrat von atypischen Lymphozyten mit Epidermotropismus
- Zur Diagnosesicherung: Validierungsscore bei DRESS
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesenem DRESS-Syndrom
- Ggf. Epikutantest
- Oraler Provokationstest: Nur in Ausnahmefällen
- Siehe auch: Diagnostik von Arzneimittelüberempfindlichkeiten
Diagnostischer Validierungsscore bei DRESS | |||||
---|---|---|---|---|---|
Symptome und Diagnostik | Nein | Ja | Unbekannt | ||
Allgemeinsymptome |
| -1 | 0 | -1 | |
| 0 | 1 | 0 | ||
Hautbeteiligung |
| 0 | 1 | 0 | |
| -1 | 1 | 0 | ||
| -1 | 0 | -1 | ||
Organbeteiligung |
| 0 | 1 | 0 | |
| 0 | 2 | 0 | ||
Differenzialblutbild | Eosinophilie |
| 0 | 1 | 0 |
| 0 | 2 | 0 | ||
| 0 | 1 | 0 | ||
Histologie |
| -1 | 0 | 0 | |
Ausschluss anderer Erkrankungen |
| 0 | 1 | 0 | |
| |||||
| |||||
Auswertung: Punkteanzahl <2: unwahrscheinlich, 2–3: möglich, 4–5: wahrscheinlich, >5: sicher |
Differenzialdiagnosen
- Makulopapulöses Arzneimittelexanthem
- Virusexantheme
- Bei Pusteln: Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP)
- Bei Blasenbildung: Stevens-Johnson-Syndrom / Toxische epidermale Nekrolyse
- Histologisch: Lymphom/Pseudolymphom
- Bei Leberbeteiligung: Akute virale Infektionen (CMV, EBV, Hepatitiden, Influenza)
Therapie
- Allgemeinmaßnahmen
- Sofortiges Absetzen des auslösenden Medikaments
- Bei exfoliativer Dermatitis: Erhöhung der Umgebungstemperatur, Ausgleich vorhandener Elektrolytverschiebungen, Sepsisprävention
- Supportive Maßnahmen
- Topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
- Bei Juckreiz: Antihistaminika
- Ggf. orale Glucocorticoide
Komplikationen
- Wiederaufflammen bei zu rascher Glucocorticoidreduktion
- Temporäre Schilddrüsenfunktionsstörungen
- Auftreten eines Diabetes mellitus
- Akutes Nierenversagen
- Plötzlicher Herztod
Prognose
- Abheilung über mehrere Wochen
- Letalität: 2–10% [15]
Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP)
Epidemiologie
Ätiologie
- Auslöser
- Medikamente : Insb. Aminopenicilline, (Hydroxy‑)Chloroquin, Diltiazem, Fluorchinolone, Sulfonamide, Terbinafin, Makrolide
- Viren: CMV, EBV, Parvovirus B19, SARS-CoV1/SARS-CoV2
- Bakterien: Mycoplasma pneumoniae, Chlamydia pneumoniae
- Ggf. Impfungen: COVID-19, Influenza
- Risikofaktoren
- Adipositas
- Genetische Prädisposition
Pathophysiologie [17]
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie): Aktivierung von CD4+- und CD8+-T-Lymphozyten → Einwanderung in Epidermis und Dermis → Apoptose von Keratinozyten über unterschiedliche Signalwege → Freisetzung von IL8 → Einwanderung neutrophiler Granulozyten
Symptomatik
- Symptombeginn: I.d.R. 24–48 h nach Einnahmebeginn
- Allgemeinsymptome
- Reduzierter Allgemeinzustand
- Fieber
- Hautsymptome
- Initial akut auftretende Erytheme in Gesicht und Intertrigines
- Im Verlauf Generalisierung und Aufschießen stecknadelkopfgroßer, nicht-follikulär gebundener Pusteln innerhalb der Erytheme
- Begleitendes Gesichtsödem
- Leichte Schleimhautbeteiligung möglich
- Juckreiz, Brennen
- Schuppende Abheilung
- Organbeteiligung: Beteiligung von Leber , Niere, Lunge und des Knochenmarks möglich
- Sonderform: Akute lokalisierte exanthematische Pustulose (ALEP)
- Variante der AGEP mit gleichen Hautsymptomen und Auslösern, jedoch begrenzt auf ein oder mehrere Hautareale
- Gesicht, Stamm und Arme am häufigsten betroffen
- Organbeteiligung seltener
Diagnostik
- Anamnese: Insb. Einnahmebeginn eines verdächtigen Medikaments, Symptombeginn, Allgemeinsymptome
- Körperliche Untersuchung: Inspektion des gesamten Integuments inkl. Schleimhaut
- Laboruntersuchungen: Differenzialblutbild (Leukozytose, Neutrophilie, ggf. Eosinophilie), CRP
- Histologie
- Superfizielle, perivaskuläre Entzündungsinfiltrate aus neutrophilen und vereinzelten eosinophilen Granulozyten
- Dermales Ödem
- Subkorneale und/oder intraepidermale Pusteln
- Zur Diagnosesicherung: Validierungsscore bei AGEP
- Mikrobiologische Diagnostik: Abstrich des Pustelinhalts
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesener AGEP: Im Verlauf Epikutantest (siehe auch: Diagnostik von Arzneimittelüberempfindlichkeiten)
Wichtigste Kriterien zur Diagnosesicherung sind der klinische Befund und die Histologie!
Validierungsscore bei AGEP [18] | |||
---|---|---|---|
Befunde | Bewertung | Punktwert | |
Morphologie | Pusteln | Typisch | +2 |
Vereinbar | +1 | ||
Beurteilung nicht ausreichend möglich | 0 | ||
Erythem | Typisch | +2 | |
Vereinbar | +1 | ||
Beurteilung nicht ausreichend möglich | 0 | ||
Verteilungsmuster | Typisch | +2 | |
Vereinbar | +1 | ||
Beurteilung nicht ausreichend möglich | 0 | ||
Postpustulöse Abschuppung | Ja | +1 | |
Beurteilung nicht ausreichend möglich | 0 | ||
Verlauf | Schleimhautbeteiligung | Ja | -2 |
Nein | 0 | ||
Akuter Beginn (≤10 Tage) | Ja | 0 | |
Nein | -2 | ||
Abheilung ≤15 Tage | Ja | 0 | |
Nein | -4 | ||
Fieber ≥38 °C | Ja | +1 | |
Nein | 0 | ||
Laboruntersuchungen | Neutrophile im Diff-BB ≥7000/mm3 | Ja | +1 |
Nein | 0 | ||
Histologie | Andere Erkrankung | -10 | |
Nicht-repräsentative/keine Histologie | 0 | ||
Exozytose peripherer neutrophiler Granulozyten | +1 | ||
Spongiforme subkorneale und/oder intraepidermale Pusteln mit papillärem Ödem | +3 | ||
Subkorneale und/oder intraepidermale Pusteln
| +2 | ||
Endergebnis: Punkteanzahl ≤0: Keine AGEP, 1–4: AGEP möglich, 5–7: AGEP wahrscheinlich, 8–12: AGEP gesichert |
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen bei AGEP | |||
---|---|---|---|
Diagnose | Befundbilder | Symptome | Weiterführende Diagnostik |
|
| ||
Acne vulgaris |
| ||
Bakterielle Follikulitis |
|
| |
Candida-Intertrigo |
|
| |
Herpes-simplex-Infektion |
|
| |
|
| ||
|
| ||
Impetigo contagiosa |
|
| |
Windpocken |
|
| |
Sweet-Syndrom |
|
| |
Stevens-Johnson-Syndrom/Toxische epidermale Nekrolyse |
|
|
Therapie
- Allgemein
- Sofortiges Absetzen des auslösenden Medikaments
- Therapie der zugrunde liegenden Infektion
- Supportive Maßnahmen
- Topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
- Bei Juckreiz: Antihistaminika
- Bei Fieber: Antipyretika
- Bei schwerem Verlauf: Systemische Glucocorticoide
- Alternativ: Ciclosporin, Secukinumab, Infliximab
Komplikationen [19]
- Sekundärinfektion
- Sepsis
- Multiorganversagen
Prognose
-
Mortalität: <5%
Symmetrisches arzneimittelbezogenes intertriginöses und flexurales Exanthem (SDRIFE)
Epidemiologie [20]
Ätiologie [21]
- Genetische Komponente: Wird diskutiert
- Auslöser: Insb.
- Antibiotika: In 50% der Fälle β-Lactam-Antibiotika, v.a. Amoxicillin
- Antimykotika: Terbinafin, Itraconazol, Fluconazol, Nystatin
- Weitere: Allopurinol, Hydroxyurea, Heparin, Röntgenkontrastmittel
Pathophysiologie
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie)
- Ggf. Befall spezifischer Lokalisationen aufgrund eines Recall-Phänomens
Symptomatik [22]
- Symptombeginn: Meist innerhalb weniger Stunden bis Tage nach Einnahmebeginn
- Allgemeinsymptome: Keine
- Hautsymptome
Diagnostik [21][22]
- Diagnosekriterien
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesenem SDRIFE
Therapie
- Allgemein: Absetzen des auslösenden Medikaments
- Supportive Maßnahmen
- Topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
- Ggf. Antihistaminika bei Juckreiz
Prognose [22]
- Vollständige Abheilung
- Rezidive möglich
Lichenoides Arzneimittelexanthem
Epidemiologie [24]
- Prävalenz: Selten
- Altersgipfel: 60 Jahre
Auslöser [25]
- Am häufigsten: ACE-Hemmer, Thiaziddiuretika, Antimalariamittel, Betablocker
- Bei Schleimhautbeteiligung: Allopurinol, Antiepileptika, antiretrovirale Medikamente, PD1-Inhibitoren
Pathophysiologie
- Weitgehend ungeklärt
- Typ-IV-Allergie (siehe auch: Pathophysiologie der Typ-IV-Allergie): Reaktion gegen Keratinozytenantigene durch autoreaktive CD8+-T-Lymphozyten, die Perforin und Granzym B freisetzen
- Auch fotoallergische Begleitfaktoren werden diskutiert
Symptomatik [25]
- Symptombeginn: Meist erst mehrere Monate(!) nach Einnahmebeginn
- Allgemeinsymptome: Keine
- Hautsymptome
- Generalisiertes Exanthem, ähnlich einem disseminierten Lichen ruber
- Meist Stamm betroffen, ggf. nur auf UV-exponierte Areale beschränkt, selten Schleimhautbeteiligung
- Verschlechterung durch UV-Licht
Diagnostik
- Anamnese: Insb. verdächtiges Medikament in der Vorgeschichte
- Klinische Untersuchung: Inspektion der Haut und Schleimhaut mit charakteristischem klinischen Bild
- Histologie: Ähnlich wie beim Lichen ruber
- Vakuoläre Degeneration der Basalmembran mit lichenoider Interface-Dermatitis
- Einzelzellnekrosen basaler Keratinozyten
- Allergologische Diagnostik bei nachgewiesenem lichenoiden Arzneimittelexanthem, siehe: Diagnostik von Arzneimittelüberempfindlichkeiten
Therapie
- Allgemein: Absetzen des auslösenden Medikaments
- Supportiv: Topische Therapie mit hochpotenten Glucocorticoiden
Prognose
- Vollständige Abheilung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- L27.-: Dermatitis durch oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanzen
- Exklusive: Allergie o.n.A. (T78.4), Kontaktdermatitis (L23-L25), Nahrungsmittelunverträglichkeit, ausgenommen Dermatitis (T78.0-T78.1), Photoallergische Reaktion auf Drogen oder Arzneimittel (L56.1), Phototoxische Reaktion auf Drogen oder Arzneimittel (L56.0), Unerwünschte Nebenwirkung o.n.A. von Drogen oder Arzneimitteln (T88.7), Urtikaria (L50.‑)
- L27.0: Generalisierte Hauteruption durch Drogen oder Arzneimittel
- L27.1: Lokalisierte Hauteruption durch Drogen oder Arzneimittel
- L27.8: Dermatitis durch sonstige oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanzen
- L27.9: Dermatitis durch nicht näher bezeichnete oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanz
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.