Zusammenfassung
Das IOC (Internationale Olympische Komitee) definiert eine Sportverletzung als eine Gewebeverletzung oder Störung der normalen physischen Funktion infolge einer sehr schnellen oder repetitiven Übertragung kinetischer Energie im Rahmen einer sportlichen Betätigung. [1] Die deutsche Definition unterscheidet zwischen akuten, durch ein plötzliches Ereignis verursachten und chronischen, sich allmählich entwickelnden Sportverletzungen (Sportschaden, Überlastungsverletzung). Die prinzipielle Ursache ist eine Belastung, die die Anpassungsfähigkeit des Gewebes übersteigt. Akute Verletzungen entstehen häufig bei Sportarten, die mit hoher Geschwindigkeit und damit erhöhter Sturzgefahr einhergehen (bspw. Skifahren), oder bei Mannschaftssportarten mit Körperkontakt (bspw. Fußball). Die Diagnose basiert immer auf einer klinischen Untersuchung und ggf. bildgebender Diagnostik, die akute Therapie erfolgt meist nach der POLICE-Regel, ein längerfristiger Ansatz wird mit der PEACE & LOVE-Regel verfolgt.
Für chronische Verletzungen siehe auch: Tendinopathie und Tendovaginitis.
Übersicht
Akutmaßnahmen bei Sportverletzungen
Allgemeines [2]
- Indikationen
- Konservative Therapie geschlossener Weichgewebeverletzungen
- Überbrückende Therapie bis zur operativen Versorgung
- Ziele
- Akut: Reduktion von Schwellung und Schmerzen
- Längerfristig: Unterstützung der Heilung und Verkürzung der Rehabilitation
- Vorgehen
- POLICE-Regel: Fokus auf Akutmaßnahmen
- PEACE & LOVE-Regel: Therapiealgorithmus bis zur kompletten Wiederherstellung (Return to Sports)
- PECH-Regel (engl. RICE-principle): Keine Empfehlung mehr!
Die PECH-Regel gilt als veraltet und wird im Wesentlichen von der POLICE-Regel abgelöst!
Akutschmerztherapie [1][3]
- Wirkstoffe
- Paracetamol: Häufig 1. Wahl, kein Einfluss auf eine Schwellung
- Nicht-Opioid-Analgetika: Topische und orale Applikation möglich
- Opioide: Ggf. bei schwerem Trauma möglich
- Siehe auch: WHO-Stufenschema
- Dosierungen
Keine Gabe von NSARs oder ASS bei einem SHT bzw. V.a. ein SHT!
POLICE-Regel [1][4]
- Protection: Kurzfristige Belastungsreduktion und/oder Immobilisation bspw. mit einer Orthese
- Optimal Loading: Symptomadaptierte Bewegung und Belastung
- Ice: Kühlung
- Intermittierende Anwendung für ca. 30 min
- Keine direkte Anwendung auf der Haut
- CAVE: Lokale Erfrierung möglich
- Compression: Externe mechanische Kompression
- Bspw. mit elastischer Bandage
- Anlage von distal nach proximal
- CAVE: Kompartmentsyndrom möglich
- Elevation: Hochlagerung
- Lagerung der Extremität über Herzhöhe
- CAVE: Akute Dekompensation einer Herzinsuffizienz möglich
PEACE & LOVE-Regel [5]
- Protection: Kurzfristige Belastungsreduktion oder Immobilisation (1–3 Tage)
- Elevation: Lagerung der Extremität über Herzhöhe
- Avoid anti-Inflammatories: Keine Anwendung von NSARs oder Kühlung
- Compression: Externe mechanische Kompression
- Education: Aufklärung über realistische Dauer bis zur Wiederherstellung und aktive Beteiligung der Betroffenen beim Heilungsprozess
- Load: Schmerz- bzw. symptomadaptierte Belastung
- Optimism: Positive Erwartungshaltung
- Vascularisation: Schmerzfreie kardiovaskuläre Aktivität
- Exercise: Bewegungstherapie
Diagnostik
- Anamnese
- Unfallmechanismus
- Schmerz
- Bewegungs- und Funktionseinschränkung
- Verletzungen in der Vergangenheit
- Klinische Untersuchung
- Inspektion: Offene Wunde? Hämatom? Schwellung? Erkennbare Fehlstellung?
- Palpation: Druckschmerz? Lücke in der Muskulatur oder Sehne?
- Aktives und passives Bewegungsausmaß nach Neutral-Null-Methode
- Fokussierte neurologische Untersuchung
- Einzelkraftprüfung der betroffenen Muskulatur
- Bildgebung: Individuelle Indikation, bspw.
- Bei V.a. auf Luxation oder Fraktur
- Bei V.a. auf Sehnen- oder Bandverletzung sowie V.a. strukturelle Muskelverletzungen
- Bei V.a. auf SHT
- Beurteilung des Verletzungsausmaßes
- Klinische Untersuchung nicht möglich
- Ausschluss wichtiger Differenzialdiagnosen oder bei diagnostischer Unsicherheit
- Präoperative oder präinterventionelle Bildgebung
Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik von Sportverletzungen [6][8][9][10] | |||
---|---|---|---|
Verfahren | Typische Indikation | Mögliche Befunde | Bemerkungen |
Konventionelle Röntgenaufnahme |
|
| |
Sonografie [11] |
|
| |
MRT |
|
|
|
CT |
|
|
|
Verletzungen der Sehnen und Bänder
Allgemeines
- Aufbau und Funktion von Sehnen und Bändern [12][13]
- Aufbau
- Mehrere Kollagenfasern (∅ 1–30 μm) = Primärbündel (∅ 15–400 μm)
- Mehrere Primärbündel = Sekundär- oder Tertiärbündel = Sehne bzw. Band
- Biomechanische Funktion
- Aufbau
- Typischer Verletzungsmechanismus: Meist geschlossene Ruptur
- Exzessive Zugbelastung
- Exzentrische Kontraktion
- Äußere Krafteinwirkung
- Risikofaktoren [14]
- Degenerative Veränderungen, insb. Tendinopathie
- Einnahme von Medikamenten, insb. Glucocorticoiden, Statinen oder Fluorchinolonen [15][16]
- Vorerkrankungen (bspw. Diabetes mellitus, Gicht oder rheumatoide Arthritis)
- Voroperationen, insb. Implantation einer Knie-TEP bei Verletzungen des Kniestreckapparats
- Häufige Sehnenverletzungen
- Achillessehnenruptur
- Sehnenverletzungen der Hand (Mallet-Finger, Jersey-Finger)
- Verletzungen des Kniestreckapparats (Quadrizepssehnenruptur, Patellarsehnenruptur)
- Bizepssehnenruptur
- Häufige Bandverletzungen
- Bandverletzungen des oberen Sprunggelenks
- Bandverletzungen des Knies
- Bandverletzungen der Hand (bspw. Skidaumen)
Sehnenverletzungen
Quadrizepssehnenruptur [14][17][18]
- Typischer Verletzungsmechanismus
- Indirekte Verletzung durch schnelle exzentrische Muskelkontraktion des M. quadriceps bei gebeugtem Knie und Fuß mit Bodenkontakt
- Direkte Verletzung durch Riss- oder Schnittverletzung
- Typische Befunde
- Bildgebende Diagnostik
- Konventionelle Röntgenaufnahme: Ausschluss knöcherner Verletzungen
- Sonografie: Bei V.a. Ruptur
- MRT: Bei unklarem Befund, Partialruptur oder chronischer Läsion
- Therapie
- Selten konservativer Therapieversuch
- Meist operative Naht der Sehne Häufig über eine transossäre Naht oder über Fadenanker
- Nachbehandlung [19]
- Woche 1–2
- Ruhigstellung in 0°-Stellung
- Teilbelastung im 3-Punkt-Gang
- Woche 3–6
- Patellamobilisation
- Vollbelastung mit Orthese in 0°-Stellung
- Assistives Bewegen des Kniegelenks, CPM-Schiene
- Woche 7–12: Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung
- Woche 13–16: Bewegung und Belastung ohne Limitation
- Ab 6 Monaten: Sportartspezifisches Training
- Woche 1–2
Patellarsehnenruptur [14][17][18][20]
- Typischer Verletzungsmechanismus
- Indirekte Verletzung bei exzentrischer Anspannung des M. quadriceps gegen Widerstand bei gebeugtem Knie
- Direkte Verletzung bei Riss- oder Schnittverletzungen
- Typische Befunde
- Keine aktive Kniestreckung oder Belastung möglich
- Akutes Gefühl der Instabilität des Kniegelenks
- Patellahochstand
- Häufig tastbare Lücke infrapatellar
- Schmerzen und Schwellung
- Bildgebende Diagnostik
- Konventionelle Röntgenaufnahme: Ausschluss knöcherner Verletzungen
- Sonografie: Bei V.a. Ruptur
- MRT: Bei unklarem Befund und V.a. Kniebinnenschaden
- Therapie
- Nachbehandlung [19]
- Woche 1–2
- Ruhigstellung in 0°-Stellung
- Teilbelastung im 3-Punkt-Gang
- Woche 3–6
- Vollbelastung mit Orthese in 0°-Stellung
- Assistives Bewegen des Kniegelenks
- Woche 7–12: Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung
- Woche 12: Ggf. Entfernung der Drahtcerclage
- Ab 4 Monaten: Sportartspezifisches Training
- Woche 1–2
Bandverletzungen
Skidaumen
- Ätiologie: Meist Sturz, selten äußere Gewalteinwirkung
- Typischer Verletzungsmechanismus: Abscherung des Daumens nach radial → Riss des ulnaren Seitenbands am Daumengrundgelenk
- Typische Befunde
- Druckschmerz über dem ulnaren Seitenband des Daumengrundgelenks
- Instabilität
- Stener-Läsion: Distaler Ausriss des Bandes mit Dislokation durch die (verletzte) Aponeurose des M. adductor pollicis
- Diagnostik
- Therapie [21]
- Generell: Analgesie und abschwellende Maßnahmen wie leichte Hochlagerung und Kühlung
- Konservativ: Ruhigstellung des Daumengrund- und Sattelgelenks
- Bei Teilruptur bzw. stabiler Verletzung
- Ggf. bei nicht-disloziertem (<2 mm) knöchernen Bandausriss
-
Operativ: Bandnaht bzw. Refixation des knöchernen Fragments bei
- Kompletter Ruptur
- Disloziertem knöchernen Bandausriss
Bandverletzungen des oberen Sprunggelenkes [22][23]
- Ätiologie
- Unzureichende neuromuskuläre Kontrolle beim Auftreten
- Äußere Gewalteinwirkung, bspw. Gegnerkontakt
- Typischer Verletzungsmechanismus: OSG-Distorsion
- Supinationstrauma: Plantarflexion, Adduktion und Inversion → Eher Außenbandverletzung
- Pronationstrauma: Dorsalextension, Abduktion und Eversion → Eher Innenbandverletzung
- Risikofaktoren
- Extrinsische Faktoren, bspw. Schuhwerk, Sportart, sportliche Belastung
- Intrinsische Faktoren, bspw. ligamentäre Laxizität, ossäre Gelenkkonfiguration, Varusstellung des Rückfußes
- Typische Befunde
- Verletzungsmuster bei Außenbandverletzung: Meist Lig. talofibulare anterius (LTFA) > Kombination LTFA und Lig. fibulocalcaneare > Lateraler Bandapparat (Außenbandruptur)
- Begleitverletzungen
- Medialer Bandapparat (Innenbandruptur)
- Syndesmose
- Knöcherne Beteiligung (Fraktur)
- Peronealsehnen
- Klassifikation: Einteilung in 3 Schweregrade nach der American Medical Association
Klassifikation der akuten Außenbandruptur [23][24] | ||||
---|---|---|---|---|
Grad | Beschreibung | Bewegungseinschränkung | Schwellung | Instabilität |
Grad 1 |
|
|
|
|
Grad 2 |
|
|
|
|
Grad 3 |
|
|
|
|
Diagnostik
- Anamnese: Fokus auf Verletzungsmechanismus und Risikofaktoren
- Körperliche Untersuchung
- Periphere Durchblutung und Sensibilität
- Palpation der Bandansätze sowie des Caput fibulae und Metatarsale V
- Seitliche Aufklappbarkeit (Talar Tilt)
- Talusvorschub (sog. vordere Schublade)
- Ottawa Ankle Rules: Röntgen empfohlen bei [25]
- Schmerzen im Bereich des Mittelfußes und
- Druckschmerz an der Basis des Os metatarsale V oder
- Druckschmerz am Os naviculare oder
- Unfähigkeit aufzutreten (sowohl direkt posttraumatisch als auch in der Notaufnahme)
- Schmerzen im Bereich des oberen Sprunggelenks und
- Druckschmerz am Malleolus lateralis oder
- Druckschmerz am Malleolus medialis oder
- Unfähigkeit aufzutreten (sowohl direkt posttraumatisch als auch in der Notaufnahme)
- Schmerzen im Bereich des Mittelfußes und
- Bildgebende Diagnostik
- Konventionelle Röntgenaufnahme: Sprunggelenk in 2 Ebenen
- Ausschluss einer Fraktur, insb. Sprunggelenksfraktur , proximale Metatarsale-V-Frakturen, Maisonneuve-Fraktur
- Ausschluss ligamentärer Avulsionsfraktur
-
Sonografie
- Gute Darstellbarkeit des Lig. fibulotalare anterius, der vorderen Syndesmose und von Teilen des Lig. fibulocalcaneare
- Ausschluss weiterer Sehnen- oder Bandverletzungen, bspw. Achillessehnenruptur
- MRT
- Bei V.a. Begleitverletzungen
- Persistierende Beschwerden >6 Wochen trotz adäquater Behandlung
- Konventionelle Röntgenaufnahme: Sprunggelenk in 2 Ebenen
Therapie der OSG-Distorsion
- Konservative Therapie
- Indikation: Goldstandard bei akuter Außenbandruptur
- Ohne ausgeprägte Instabilität
- Ohne relevante Begleitverletzungen
- Ohne offene Verletzung
- Durchführung: Funktionelle Behandlung einer akuten OSG-Außenbandruptur
- Indikation: Goldstandard bei akuter Außenbandruptur
- Operative Therapie
- Indikation: Nur in Ausnahmefällen bei akuter Außenbandruptur, bspw.
- Offene Verletzung mit Bandruptur
- Ruptur der Außen- und Innenbänder
- Begleitverletzung
- Stark dislozierter knöcherner Bandausriss mit Irritation des OSG
- Durchführung
- Direkte Naht bei interligamentärer Verletzung
- Transossäre Refixation mit Fadenankern bei ansatznaher Ruptur
- Osteosynthese bei knöchernem Bandausriss
- Arthroskopie bei intraartikulärer Begleitverletzung
- Nachbehandlung
- Initial Ruhigstellung bspw. im gespaltenen Unterschenkelgips
- Nach Abschwellung: Funktionelle Behandlung einer akuten OSG-Außenbandruptur
- Indikation: Nur in Ausnahmefällen bei akuter Außenbandruptur, bspw.
- Funktionelle Ergebnisse
- Vergleichbare Resultate zwischen konservativer und operativer Therapie
- Besser nach funktioneller Nachbehandlung als nach immobilisierender Ruhigstellung
- Vorgehen bei chronischer Instabilität
- Pronatoren- und Eigenreflextraining
- Sekundär operative Bandrekonstruktion
Funktionelle Behandlung einer akuten OSG-Außenbandruptur [19][22] | |
---|---|
Zeit | Maßnahme |
Unfalltag |
|
Tag 2–7 |
|
Woche 2–6 |
|
Ab Woche 7 |
|
Bei Sprunggelenksdistorsionen sollten immer auch die angrenzenden Gelenke und insb. der Fuß klinisch untersucht werden. Bei Druckschmerz über dem Os metatarsale V muss eine zusätzliche Röntgendiagnostik des Fußes veranlasst werden!
Relevante Risiken bei Immobilisation der unteren Extremität sind neben einer möglichen Einsteifung des Gelenks v.a. das Thromboserisiko sowie die Entwicklung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms!
Verletzungen der Muskulatur
Allgemeines [1][2][26]
- Aufbau der Skelettmuskulatur
- Skelettmuskelfaser: Mehrkernige Zelle (∅ 10–100 μm)
- Ca. 200–250 Muskelfasern = Primärbündel (∅ 1 mm)
- ≥2 Primärbündel = Sekundärbündel (∅ 2–5 mm)
- Mehrere Sekundärbündel = Muskel
- Typischer Verletzungsmechanismus
- Indirekte Verletzung: Dehnungsverletzung
- Direkte Verletzung: Kontusionsverletzung
- Verletzungsrisiko: Exzentrische > konzentrische Muskelaktivität
- Häufige Lokalisation
- Ischiokrurale Muskulatur („hamstrings“)
- M. quadriceps
- Adduktoren
- Wade
Klassifikation
Klassifikation der Muskelverletzungen der Münchner Konsensus-Konferenz (2012) [27][28] | ||||
---|---|---|---|---|
Einteilung | Typ | Symptomatik | MRT-Befund [6] | |
Indirekte Muskelverletzung (Typ A): Funktionell |
|
|
|
|
|
| |||
|
|
|
| |
|
| |||
Indirekte Muskelverletzung (Typ A): Strukturell |
|
|
|
|
|
| |||
|
|
| ||
| ||||
Direkte Muskelverletzung (Typ B) |
|
| ||
|
Muskelkater („Delayed Onset Muscle Soreness“, DOMS) [1][2][27][28][29][30]
- Definition: Funktionelle Muskelverletzung bei mechanischem Stress
- Ursache: In der Intensität ungewohnte Belastung
- Pathophysiologie: Ultrastrukturelle Veränderungen innerhalb der Myofibrille → Entzündungsreaktion, Autophagie, Proteindegradation
- Exzentrische Muskelkontraktion: Einrisse des Sarkomers im Bereich der Z-Scheiben
- Ausdauersport: Akkumulation von CK-MB mit Lyse der Myofibrillen, Degeneration von Mitochondrien und Unterbrechung der T-Tubuli
- Typische Befunde
- Schmerzbeginn mehrere Stunden nach Beendigung der Tätigkeit, Höhepunkt nach 1–3 Tagen
- Ziehende Beschwerden
- Ggf. druckschmerzhafter Muskel
- Einschränkung der Bewegung und/oder Funktion
- Therapie siehe: Therapie von Muskelverletzungen
- Prognose: Ausheilung innerhalb weniger Tage
Funktionelle Muskelverletzungen gelten als prädisponierender Faktor für strukturelle Verletzungen, weshalb eine Belastungssteigerung nur im schmerzfreien Bereich stattfinden sollte!
Neuromuskuläre Muskelzerrung [2][27][28][30]
- Definition: Funktionelle Muskelverletzung bei neuromuskulärer Tonusregulationsstörung
- Ursache: Fehlregulation der Muskelspindeln → Störung der reziproken Hemmung bei fehlenden neuromuskulären Kontrollmechanismen
- Pathophysiologie: Dysfunktion zwischen Antagonisten und Agonisten
- Typische Befunde
- Krampfartige Beschwerden
- Tastbare Verdickung des Muskelbauchs
- Therapie siehe: Therapie von Muskelverletzungen
- Prognose: Ausheilung innerhalb weniger Tage
Muskelfaserriss [1][2][27][28][30]
- Definition: Akute, strukturelle Muskelverletzung durch Distraktion von Primärbündeln
- Ursache: Dehnung eines Muskels über die Elastizitätsgrenze bei gleichzeitiger Kontraktion
- Pathophysiologie: Meist Ruptur am myotendinösen Übergang (biomechanisch „schwächste Stelle“)
- Ablösung der Sehne von der Basalmembran oder
- Ablösung der Basalmembran von den Muskelzellen oder
- Innerhalb der Muskelzelle selbst
- Typische Befunde
- Therapie siehe: Therapie von Muskelverletzungen
- Prognose: Ausheilung innerhalb von 2 Wochen
Ein Muskelfaserriss ist die Ruptur von Primärbündeln, nicht der Muskelfaser selbst!
Therapie von Muskelverletzungen [2][28][28]
- Erstversorgung, siehe: Akutmaßnahmen bei Sportverletzungen
- Weiterführende Behandlung: Maßnahmen insb. abhängig vom Verletzungsausmaß, siehe auch: Klassifikation der Muskelverletzungen
- Physiotherapie: Krankengymnastik und physikalische Therapie
- Punktion eines Hämatoms
- Lokale Infiltration, bspw. mit Traumeel® oder PRP
- Tape-Verband: Initial entlastend und/oder komprimierend, später als Kinesio-Tape
- Ggf. operative Therapie, bspw. bei sehnigem Ausriss oder Avulsionsverletzung
Behandlungsvorschläge bei Muskelverletzungen [6][26][28] | |||
---|---|---|---|
Verletzung | Behandlung | Prognose | |
Funktionelle Verletzung |
|
| |
Strukturelle Verletzung | Muskelfaserriss |
|
|
Muskelbündelriss |
|
| |
Kompletter Muskelriss |
|
| |
Muskelkontusion |
|
|
Bei strukturellen Verletzungen und Muskelkontusion sollte in den ersten Tagen keine Massage der betroffenen Muskulatur durchgeführt werden!
Bei Muskelverletzungen sollten keine Lokalanästhetika oder Glucocorticoide zur Infiltrationstherapie genutzt werden! [31][32]
AMBOSS-Podcast zum Thema
Einblicke in die Sportmedizin: Wander- und Surfverletzungen (August 2020)
Interesse an noch mehr Medizinwissen zum Hören? Abonniere jetzt den AMBOSS-Podcast über deinen Podcast-Anbieter oder den Link am Seitenende unter "Tipps & Links"
Patienteninformationen
- Sprunggelenkverstauchung
- Handgelenksverletzungen
- Knieprellung
- Muskelzerrung und Muskelfaserriss
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M62.-: Sonstige Muskelkrankheiten
- M62.6-: Muskelzerrung [0–9]
- T14.6: Verletzung von Muskeln und Sehnen an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
- Abriss
- Riss
- Schnittverletzung
- Traumatische Ruptur
- Verletzung
- Verstauchung
- Zerrung
Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung
- 0 Mehrere Lokalisationen
- 1 Schulterregion
- 2 Oberarm
- 3 Unterarm
- 4 Hand
- 5 Beckenregion und Oberschenkel
- 6 Unterschenkel
- 7 Knöchel und Fuß
- 8 Sonstige
- 9 Nicht näher bezeichnete Lokalisation
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.